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Die Hackerin und die Landstreicherin

Idee für einen langen Film
von Jakob Defant und Felix Herrmann


"Nachdem sie die Landstreicherin zum ersten Mal kurz gefangen hatte,
ließ die Hackerin sich erschöpft auf die Rückbank des Taxis fallen. So ein
dekadentes Stück Scheiße, war ihr erster Gedanke. Ein Benehmen wie ein
Straßenkind, aber eine Haltung wie eine Prinzessin. Sie fragte sich, warum
der Verleger sie nicht einfach dem Schicksal überließ. Dann würde sie
irgendwann in so einem Jugendknast oder in der Psychatrie landen und
das würde ihr bestimmt gut tun..."


Die Hauptfigur ist die Hackerin. Eine ca. 45-Jährige, alleinstehende Frau,
die als Programmiererin lange für Microsoft Deutschland gearbeitet hat.
Kein Nerd, sondern eine elegante, wohlhabende und konservative Person.

Nach dem frühen Tod ihres Ziehsohns will sie dessen Gedichte um jeden
Preis veröffentlichen. In München trifft sie deswegen den Verleger.

Er hält die Gedichte für bedeutungslos, macht ihr aber ein Angebot:
Er habe ein zweijähriges Kind bei sich. Das sei nicht sein eigenes, sondern
die Tochter einer Landstreicherin. Die Landstreicherin habe er vor Jahren
als Waisenkind aus Bulgarien nach Deutschland gebracht. Sie sollte
studieren, er wollte, dass sie eine Zeichnerin wird. Doch dann habe sie
alles versaut und treibe sich nur herum. Aber er wolle, dass es wenigstens
dem Kind gut gehe, dafür brauche er rechtliche Klarheit. Ob die Hackerin
sie finden könne, um sie zu zwingen, ihr Kind zur Adoption freizugeben.
Wenn sie das schaffe, einigen sie sich, könne er die Gedichte groß
herausbringen.

Die Hackerin
"Warum war der Verleger so schwach bei ihr gewesen? Sie hasste den
Gedanken, dass er das Kind besitzen wollte. Aber nun musste sie damit
umgehen. Die Hackerin dachte kurz darüber nach, ob sie die
Landstreicherin einfach in ihrem Hotelzimmer einsperren sollte, damit sie
nicht weglief. Aber eigentlich war das bestimmt genau die Masche, die der
Landstreicherin gefiel. Sich auf Kosten anderer verwöhnen zu lassen.
Obdachlose mit Champagner, wie alle Schmarotzer. Das hat das Miststück
schon gelernt."


Von ihrem Hotelzimmer aus lässt die Hackerin Software für
Gesichtserkennung über die angezapfte Kameraüberwachung öffentlicher
Plätze der Stadt laufen. Jedes Mal wenn eine Kamera die Landstreicherin
registriert, steigt sie in ein Taxi und nimmt die Verfolgung auf.

Die Verfolgungsjagden gestalten sich dann aber überraschend analog. Die
Landstreicherin entwischt der Hackerin, weil sie die Stadt besser kennt.
Sie kann klettern, sie kann rennen, sie kann sich verstecken, und selbst
wenn die Hackerin sie nach einem Kampf stellt, schafft sie es am Ende
doch immer wieder auszureißen oder zu verschwinden. Der Hackerin bleibt
nichts anderes übrig, als ihr Programm zur Gesichtserkennung laufen zu
lassen und auf die nächste Gelegenheit zu warten. Die Matches werden
seltener und bald ist die Landstreicherin untergetaucht und inexistent.

Die Landstreicherin
"Oh Gott ich hab mich erschrocken. Von hinten, sie könnte es sein. Ich
schleich mich ran und tippe ihr auf die Schulter.
Hallo da bin ich. Wie ein Tier, schaut sie mich nur an. Was will die blöde
Ente? Die soll sich kuschen. Jetzt springe ich in den Fluss, die Kälte macht
mir nichts aus, mein Kleid wird schwer sein, aber ich muss mich nur
treiben lassen und steig dort aus, ich stemme mich gegen die Strömung ins
Flussbett und klettere da hoch."


Das Drehbuch besteht aus vielen Verfolgungsjagden. Physische
Auseinandersetzung der Körper einer älteren Frau und einer jungen Frau.
Es ist zunächst nichts psychologisch motiviert. Sondern wir sehen eine
reiche Frau, die durch technische Mittel eine arme Frau fangen will, damit
ihr das Kind ein für alle Mal weggenommen wird.

München wird zum tiefdunklen Ort der abschüssigen Uferböschungen, der
Abhänge und Mauern. Und in den Wohnungen der Stadt bereitet eine
Richterin das Urteil vor, während zwei Polizisten einer Spur nachgehen,
die sie ins Nirgendwo führt.

Die Landstreicherin
"Polizist Eins stellt sich wirklich so nah vor mich mit seinem offenen
Hemd. Wow ich bin schockiert, was für eine Nähe. Ich rieche ihn, sein
Hemdkragen ist offen, darf er das? Soll ich ihm mit dem Knie einen
ordentlichen Pferdekuss verpassen? Will er mich küssen, er ist echt voll
nah. Ich hebe mein Bein leicht an, sodass mein Knie an seinem
Oberschenkel liegt, ich könnte ihn jetzt auch übers Kreuz legen, aber dann
würde mich Polizist Zwei erschießen.

Ausweis hab ich hier, bitte. Sein Atem ist kalt. Hahaha wow, wir stehen
hier wirklich Fußspitze an Fußspitze seit Minuten, unglaublich und
Polizist Zwei spricht mit der Hackerin, die wollen alles vernünftig lösen.
Gibt ja auch kein Problem. Ich fass mal seine Handschellen an. Finger
weg! Hahaha wow. Gleich knallt der mich vorwärts auf die Motorhaube
und drückt meinen Kopf ins Blech, das macht er doch glatt, der ist ja voll
brutal. Brutale Psyche, wie lange will er noch so bleiben? Mensch, jetzt
kann ich nicht mehr, ich kann nicht mehr, ich werde ohnmächtig."


Die Geschichte hat im Kern auch etwas märchenhaftes. Äußerlich soll sie
aber dennoch vollkommen in die konkrete Materialität der Stadt eingebaut
werden.
Bei der Methode haben wir uns dazu entschlossen ein Drehbuch ohne
Dialoge zu schreiben. Stattdessen beschreiben wir Szenen, und wir
entwickeln innere Monologe für die Figuren. Monologe in der Form, wie
sie uns schon in diesem Text als farbig gehaltene Abschnitte begegnet sind.
Diese Monologe sollen einerseits als Inspiration und Anleitung für eine
Improvisation dienen, in der wir zusammen mit den Schauspielern beim
Drehen die Szenen weiterentwickeln. Anderseits wollen wir auch
Monolog-Auftritte in den Film einflechten.

Die Hackerin
"Ich habe Angst vor einem Menschen, der so allein ist hier mitten in der
Stadt. Niemand weiß etwas, niemanden kümmert es, sie könnte überall hin.
Das macht mir Angst. Ich fürchte mich, dass sie mich finden kann, dass sie
hinter mir her schleicht und hier auftaucht. Wenn ich sie heute Nacht nicht
fangen kan, dann muss ich hier weg."